Dialog nach David Bohm
Manchmal sage ich von einem Film, er habe gute Dialoge. Im Zusammenhang mit dem Dialog-Angebot meine ich jedoch eine bestimmte Form von Gruppengespräch. Präzisierend spreche ich vom bohmschen Dialog, weil der amerikanische Physiker David Bohm (1917-1992) diese Gesprächsform entwickelt hat. Bohm litt darunter, wenn Diskussionen auf Grund ihres kompetitiven Charakters alternative Aspekte eines Sachverhalts ausgrenzten. Ohne den Wettbewerb grundsätzlich zu verurteilen schien Bohm überzeugt, dass kooperativ generierte Lösungen für komplexe Aufgaben langfristig stabiler sind als wenn sie sich kompetitiv bilden.
Auch ich erlebe Diskussionen für meine Massstäbe häufig erstaunlich aggressiv. Dem Gegenüber werden kaum gute Gründe für die jeweilige Argumentation zugestanden, und mit rhetorischem Narzissmus werden abwägende Argumentationen bagatellisiert. Selbst in den Kommentarforen von bürgerlichen Medien werden andere Meinungen übel diffamiert. Eine Dialogkultur scheint viele Leute zu überfordern. In meinen Beratungen formulieren viele Klienten diese Überforderung als blockierendes Dilemma – auf Grund schlechter Erfahrungen wissen sie nicht, wie sie authentisch bleiben und andern ihre Meinung sagen können, ohne das Gegenüber zu verletzen und die Beziehung zu gefährden.
Empirisch fand Bohm Kriterien für Gruppengespräche, die ich auf zwei Hauptaspekte komprimiere und als „dialogische Haltung“ bezeichne:
- Ich beobachte meine Gedanken, bevor und während ich spreche.
Das heisst, ich spreche lieber von MEINER als von DER Welt – und ich formuliere lieber einen neuen Gedanken als Bekanntes zu repetieren. Allenfalls merke ich beim Sprechen, dass ich meinen Gedanken noch differenzierter und präzisier formulieren möchte. - Ich beobachte meine Gedanken, während ich andern zuhöre.
Das heisst, ich höre lieber mit einer lernenden als mit einer wissenden Haltung zu. Ich realisiere und respektiere, wenn das Gehörte bei mir negative Gefühle auslöst (z.B. Skepsis, Ablehnung). Ich werde mir bewusst, dass dieses Gefühl mehr mit mir als mit der andern Person zu tun hat, und statt zu verurteilen transformiere ich dieses Gefühl lieber in ein Interesse für die guten Gründe der andern Person.
Die Kunst des gemeinsamen Denkens
Als Propriozeption wird die Fähigkeit bezeichnet, auch ohne bewusste Beobachtung Bescheid zu wissen über die Positionierung meiner Gliedmassen (beim Essen z.B. findet die Hand den Mund ohne kontrollierte Steuerung). Oft stellen Dialogpraktiker bei sich eine Art „Propriozeption der Gedanken“ fest. Alle Arten der Kommunikation wirken dadurch authentischer und qualitativer.